FRANZÖSISCHE HELDEN UND KÖLNER KAMPF

Köln - 26. Juni 2022


      FRANZÖSISCHE HELDEN UND                           KÖLNER KAMPF

                     

                               Den beiden Siegern in der Einzelkonkurrenz (Mitte) gratulieren ALRV-Aufsichtsrat Dr. Thomas Förl (2.v.l.) und Thomas Salz, Vorstandsmitglied der Sparkasse Aachen (3.v.l.). Foto: CHIO Aachen/ Michael Strauch    


Was ist besser als ein Weltcup-Finale zu gewinnen? Beim CHIO Aachen gewinnen! Manon Moutinho muss es wissen, die Französin hat dieses Jahr erst im Weltcup in Leipzig die Nase vorn gehabt und heute im Preis der Sparkasse. „Ich bin superstolz! Es ist das erste Mal, dass eine französische Frau hier in Aachen gewinnen konnte – und das bei der großen Konkurrenz, vor allem aus Deutschland!“, jubelte sie. Spätestens durch den Erfolg in Leipzig zählte sie auch in Aachen zu den Favoriten. Doch vor zwei Wochen hatte sie einen kleinen Freizeitunfall und war verletzt. Die Reise nach Aachen stand in den Sternen. „Ich wusste, wenn ich hier starten will, muss ich zu 100 Prozent fit sein.“ Das hat gerade so geklappt. Die erste Prüfung, die Pflicht, lief allerdings nicht sehr viel versprechend. Manons Pferd Saitiri fand die Atmosphäre in der Albert-Vahle-Halle doch recht aufregend und am Ende war es nur Rang sieben für die beiden und ihre Longenführerin Corinne Bosshard. Doch schon in der Technik liefen sie zu großer Form auf: bestes Ergebnis mit 8,351 Zählern. Und heute in der Kür gelang es Manon, die Gesetze der Schwerkraft quasi außer Kraft zu setzen. Sie war die einzige, die eine Gesamtnote über 9 erhielt, 9,116 waren es, um genau zu sein. Machte in Summe 8,448 Zähler und das Fazit von Manon: „Das zeigt, mentale Stärke ist das wichtigste von allem!“

 

Des einen Freud, des anderen Leid – sowohl Manon Moutinho als auch die am Ende zweitplatzierte Schweizerin Nadja Büttiker auf Acardi van de Kapel an der Longe von Monika Winkler-Bischofberger profitierten auch ein bisschen vom Pech der bis dato Führenden, Alina Roß auf Baron R an der Longe ihres Vaters Volker Roß. 2019 war die Deutsche Meisterin Vierte in Aachen, 2021 Dritte und nun war der Sieg zum Greifen nah nach Rang eins in der Pflicht und Platz zwei in der Technik. Doch heute in der Kür war ein bisschen der Wurm drin. Zu viele Unsicherheiten bedeuteten am Ende nur Rang elf in der finalen Prüfung. In der Gesamtwertung warf sie das auf Rang drei zurück.

 

Frankreich zum Zweiten

 

Europameister, dreifacher Weltmeister, Nummer eins der Weltrangliste – es war ziemlich klar, wer dieses Wochenende der Athlet sein würde, den alle anderen Herren schlagen müssen, wenn sie im Preis der Sparkasse ganz nach vorne turnen wollen: Lambert Leclezio aus Frankreich auf Estado an der Longe von Loic Devedu. Um es kurz zu machen, es gelang keinem, auch nur annähernd an den 25-jährigen angehenden Physiotherapeuten heranzukommen, der in den letzten Jahren die Herrenkonkurrenzen der großen Turniere dominierte. In Aachen war er allerdings lange nicht mehr, zum letzten Mal 2013 als Junior. Aber er sagt: „Es war immer ein Traum hierher zu kommen! Die Atmosphäre, die Organisation, das ist alles einzigartig, crazy!“ Nun hatte er seinen großen Auftritt in der Albert-Vahle-Halle, nein, falsch, er hatte gleich drei große Auftritte, denn er gewann alle drei Wertungen – Pflicht (8,820), Technik (8,980) und Kür (9,106). In der Kür vergab der für die artistische Note verantwortliche Richter bei C die Idealnote 10,0. Nein, es ist nicht das erste Mal, dass er eine 10 bekommen hat. Aber diese war besonders wertvoll, nachdem beim letzten Turnier zuhause so ziemlich alles schiefgegangen war. Aber das muss bei Generalproben ja auch so sein, damit es beim großen Auftritt klappt.

 

Wie groß die Konkurrenz bei den Herren war, kann man auch daran ablesen, dass auch die weiteren fünf Platzierten jeweils Bewertungen von 8,0 und besser erhielten. Zweiter wurde mit einer Gesamtnote von 8,610 dem niederländischen Junioren-Weltmeister Sam Dos Santos auf Chameur an der Longe von Rian Pierik-Bongers. Man kann Sam getrost als Wunderkind bezeichnen. Es ist noch nicht mal drei Wochen her, dass er seinen 16. Geburtstag gefeiert hat. Vorher hätte er in Aachen gar nicht starten dürfen.

 

Auf den folgenden Plätzen war es richtig spannend. Mit drei hundertstel Sekunden Vorsprung verwies der vierfache Aachen-Sieger Thomas Brüsewitz mit Eyecatcher an der Longe von Alexandra Knauf Julian Wilfling auf Aragorn an der Longe von Alexander Zebrak auf Rang vier. Knapper geht’s kaum. Und das, obwohl Wilfling heute eine super Kür turnte, die ihm in dieser Teilprüfung Rang zwei beschert hatte. Fünfter wurde Vorjahressieger Jannik Heiland mit dem von Nina Vorberg longierten Rockemotion (8,455).

 

Köln vorn

 

Die erste deutsche Nationalhymne beim CHIO Aachen 2022 erklang für die Voltigierer vom Team Norka Automation des VV Köln-Dünnwald auf Calidor an der Longe von Patric Looser. Sie waren die beste Gruppe im Preis der Sparkasse, gewannen sowohl die Pflicht (7,978) als auch die Kür (8,986). Beide Prüfungen zusammengerechnet, kamen sie auf 8,484 Punkte.

 

Platz zwei ging in die Schweiz, an das Team Lütisburg auf Rayo de la Luz an der Longe von Monika Winkler-Bischofberger (8,138). Rang drei sicherte sich der VV Ingelsberg mit Fider Rock, longiert von Lars Hansen und 8,063 Zählern auf der Ergebnistafel.

 

Patric Looser, einst selbst Weltmeister im Einzelvoltigieren und heute Longenführer des Teams Norka Automation VV Köln-Dünnwald, war sehr zufrieden mit den Auftritten seiner Mannschaft – obwohl sie heute nicht 100 Prozent dessen abrufen konnten, was eigentlich möglich ist, wie er sagte. Zwei, drei Unsicherheiten waren drin in der mit Schwierigkeiten gespickten Kür. Aber: „Wir sind mega happy, weil wir gewonnen haben, gute Bewertungen hatten und uns da durchgekämpft haben.“ Die Ursache für die fehlenden zehn Prozent? „Es fehlte etwas an Schwung.“ Auch Calidor sei heute „nicht der Frischeste“ gewesen, so Looser. Fazit: „Ich denke langfristig. Heute waren ein paar Wackler, in der Pflicht hatte jeder kleine Fehler. Wir wissen nun, woran wir arbeiten müssen.“ Die Chance dazu haben sie gleich morgen im Nationenpreis, wo sie ihre Kür noch einmal zeigen.

 

Ein kleines Aachen-Comeback feierte der VV Ingelsberg. Seit Jahren waren die Bayern nicht mehr beim CHIO am Start gewesen. Heute hatten sie einen starken Auftritt in der Kür, die zweitbeste Leistung von allen mit einer 8,617 – und das mit einer neuen Kür und einem neuen Pferd. Für Fider Rock war dies erst das zweite internationale Turnier. „Und das erste vor solch einer Kulisse“, versicherte Regina Burgmayr. Nach Aachen zu kommen, sei ihnen eine Herzensangelegenheit gewesen, so Burgmayr, die mit ihren 31 Jahren die Dienstälteste des Teams ist und schon seit ihrem zehnten Lebensjahr auf Top-Niveau voltigiert. „Aachen ist für uns wie eine kleine Weltmeisterschaft!“

 

Pas de Deux

 

Für die Paare stand heute die erste von zwei Küren auf dem Programm. Die beiden Europameister und Weltcup-Dritten Chiara Congia und Justin van Gerven setzten sich mit Eyecatcher an der Longe von Alexandra Knauf mit der Endnote 8,574 klar an die Spitze. Auch die folgenden Plätze gingen nach Deutschland, an Timo Gerdes und Jolina Ossenberg-Engels auf Cairo (Longe: Claudia Döller-Ossenberg-Engels) mit einer 8,383 sowie an Diana Harwardt und Peter Künne mit DSP Sir Laulau (Longe: Hendrik Falk), die es auf eine 8,217 brachten.


(c) CHIO Aachen