"Tapetensprüche" von Charlotte Pohle Vorlesen lassen

Köln - 08. Dezember                                                         Stadt Köln / B. Mensing


Kölner Litfaßsäulen zeigen "Tapetensprüche" von Charlotte Pohle

 

Tapetenkunst für zwei Monate zu sehen; Serie umfasst mehr als 100 Stücke

Tapetenmotive von C. Pohle
© Stadt Köln Tapetenmotive

Seit Anfang Dezember wird eine Auswahl der Serie "Tapetensprüche" von Charlotte Pohle für zwei Monate auf den Kölner Kunstsäulen gezeigt: Fotografien einer Person, die vor ihrem Körper ein Stück Tapete in die Höhe hält. Darauf sind mit einem spontanen Gestus Sätze geschrieben wie "Entspann Dich mal!", "Du bist so naiv!", "Hab Dich mal nicht so!" und "Dass Du Dich nicht schämst!", "Das bringt doch eh nichts!" oder "Träum weiter!".

Die Werkserie "Tapetensprüche" umfasst insgesamt mehr als 100 Stücke und ist ursprünglich für den öffentlichen Raum konzipiert worden. Viele der Sprüche kennt die Künstlerin aus ihrer Kindheit und Jugend, wiederum weitere Sprüche notierten andere aus ihrem Umfeld für sie.

"Ich war sehr wütend auf die Personen, die mich erzogen haben. Ich begann Sätze aus meiner Kindheit, aus alten Beziehungen und aus dem Leben meiner Mitmenschen zu sammeln. Alle konnten etwas dazu sagen,

so die Künstlerin. Was all diesen Sätzen zugrunde liegt, ist der Versuch, dem Gegenüber ohne Empathie zu vermitteln, was er zu tun, zu lassen oder zu denken hat, so die Künstlerin. Die meisten Menschen kennen diese Sätze, kaum jemand hat sie nicht mindestens als Jugendliche*r gehört.

"Die ,gut‘ gemeinten Ratschläge anstelle von aufrichtigem Interesse am Gegenüber konstruieren eine Hierarchie zwischen einer Person, die sich in ihren Gefühlen und Bedürfnissen verletzlich und durchlässig zeigt und einer anderen, die diesem Umstand unangemessen begegnet. Es fehlt das Interesse, wie es der Adressatin oder dem Adressaten wirklich geht und damit einhergehend auch die Unterstützung, den Wunsch des Gegenübers zu verstehen und sie oder ihn in seinen Wünschen und Absichten zu bestärken," meint Pohle.


Die Künstlerin benutzt die Tapete in unterschiedlichen Strukturen und Farben als Sinnbild für den Wunsch nach Wohnlichkeit und Behaglichkeit. Fehlt aber eine liebevolle und lebendige Kommunikation, wird die Idee eines wohnlichen Zuhauses von kitschigen Wohntraumhüllen ausgehöhlt und kippt ins Spießige.

"Die expressiven grafischen und malerischen Spuren auf einer vorgegebenen Setzung aus Struktur, Muster und Farbigkeit zeigen die Auseinandersetzung zwischen einer, sich ermächtigenden Persönlichkeit und vorgefertigten Sätzen und (Denk-)mustern. Es entsteht immer ein gestalterisches Eigenleben, eine Aneignung und Entlarvung von Form und Inhalt," erklärt Pohle. 

 Mit der Ausstellung der Sprüche auf Litfaßsäulen verlassen sie die Wohnzimmer, treten in die Öffentlichkeit und regen zur Diskussion an, sollen Normen und Rollen hinterfragen und vor allem eine Basis für Gespräche und Begegnungen schaffen.

Hintergrund

Charlotte Pohle (geboren 1988 im Landkreis Ravensburg) lebt und arbeitet in Höhr-Grenzhausen im Westerwald, wo eine uralte Keramiktradition angesiedelt ist. Momentan studiert sie am Institut für künstlerische Keramik und Glas (IKKG) der Hochschule Koblenz. Zuvor lebte die Künstlerin in Berlin, dort absolvierte sie das zweite Staatsexamen für Lehramt und unterrichtete Deutsch und Kunst an verschiedenen Schulen. Unterschiedliche Ausstellungen in Berlin und Limburg zeigten die Arbeiten von Charlotte Pohle.